Einmal kann es dazu kommen, dass Sie sich mit ganz einfachen Dingen überfordert fühlen und haben es immer schwerer, ohne fremde Hilfe auszukommen. Dann empfiehlt es sich, die Leistungen aus der Pflegeversicherung in Erwägung zu ziehen. Ob es um körperliche oder geistige Beeinträchtigungen geht – Ein Mensch, der im Alltag auf die Hilfe durch andere angewiesen ist, gilt als pflegebedürftig und kann die Unterstützung beziehen. Die Einschränkungen in der Selbständigkeit, die das Sozialgesetzbuch (§ 14 Absatz 1 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI) als Kriterien der Pflegebedürftigkeit genauer beschreibt, müssen voraussichtlich mindestens sechs Monate anhalten.
Ob die Pflegebedürftigkeit besteht und in welchem Maße eine Person pflegebedürftig ist, ermitteln die Fachleute – die Gutachter des Medizinischen Dienstes (für gesetzlich Versicherte) oder MEDICPROOF (für Privatversicherte), welche die Pflegekasse hierzu beauftragt. Die Begutachtung erfolgt auf Anfrage – Über den Antrag auf Pflegegrad teilt eine Person der Pflegekasse mit, dass sie der Unterstützung bedarf. Als nächstes wird geprüft, ob der Betroffene die gesetzlich definierten Voraussetzungen erfüllt und welche Pflegeleistungen beanspruchen kann.
Wer kann einen Antrag auf Pflegegrad stellen? Sie können Pflegeleistungen für sich oder Ihre Angehörigen beantragen. Falls der Pflegebedürftige nicht mehr in der Lage ist, selbständig einen Antrag zu stellen, so kann das die vertretungsberechtigte Person tun – Bevollmächtigte, Betreuer oder gesetzlicher Vertreter tun.
Beim Antrag auf Pflegegrad handelt es sich nur darum, die Pflegekasse zu benachrichtigen. Es steht Ihnen frei, wie Sie es tun – telefonisch, schriftlich oder persönlich. Egal, welchen Weg Sie bevorzugen, Sie müssen Ihren Antrag weder begründen noch sich an die vorgegebene Form halten.
Unter dem angegebenen Link können Sie eine Vorlage für einen Antrag auf einen Pflegegrad herunterladen. Diese Vorlage kann Ihnen als Leitfaden dienen, um Ihren eigenen Antrag auf einen Pflegegrad zu erstellen. Bitte beachten Sie, dass die Vorlage nur eine Orientierungshilfe ist und Sie Ihren Antrag auf Ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können.
Sie können den Antrag auf Pflegeleistungen per Anruf stellen, indem Sie einfach bei der zuständigen Pflegekasse telefonieren und Ihr Anliegen mitteilen. Dann erhalten Sie von der Pflegekasse ein Formular per Post zugesandt, das Sie ausfüllen, unterschreiben und zurücksenden müssen. Wenn der Pflegebedürftige den Antrag selbst nicht unterschreiben kann, sollte es sein Vertreter tun. Es gilt zu beachten, dass nicht der Zugang des Briefes, sondern Ihr Telefonat als Zeitpunkt angesehen wird, ab dem die Leistungen gewährt werden.
Tipp: Damit Ihr Antrag auf Pflegegrad beweissicher ist, sollte Ihr Anruf registriert und durch eine E-Mail quittiert werden.
Wer einen größeren Wert auf die Unterlagen in Papierform legt, kann einen Antrag auf Pflegegrad schriftlich einreichen. Es gibt hier keine Anforderungen an die Gestaltung des Papierantrags. Ein formloses Schreiben in einfacher Formulierung wie etwa “Hiermit beantrage ich ab dem heutigen Tag Leistungen der Pflegeversicherung” mit einem angegebenen Datum, Ort und einer Unterschrift genügt, um Pfelegeleistungen zu beantragen. Ihren Antrag sollten Sie an Ihre Pflegekasse per Post übermitteln.
Was einem gesunden Menschen leicht fällt, kann für eine pflegebedürftige Person zur Herausforderung werden. Wenn Sie sich oder Ihren Angehörigen etwas Mühe zu ersparen möchten, können Sie auf ein vorgefertigtes Formular zurückgreifen. Es ist nur mit eigenen Daten auszufüllen, ohne dass die pflegebedürftige Person einen eigenen Text verfassen muss. Nach so einem Formular können Sie sich auf Websites von Krankenkassen umschauen oder die Vorlage von Pflegemeister verwenden, die zum kostenlosen Download bereitsteht.
Eine weitere Möglichkeit, einen Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen, ist der persönliche Besuch, bei dem Sie Ihren Brief abgeben. Hierfür können Sie sich einfach an einen Pflegestützpunkt in der Nähe wenden. Ein Vorteil des Besuchs liegt darin, dass Sie dabei alle interessierenden Fragen klären und sich kostenlos beraten lassen können. Wenn Sie sich für diesen Weg entscheiden, ist es wichtig, dass sich der Empfang Ihres Antrags durch eine schriftliche Bestätigung später nachweisen lässt.
Nachdem Ihr Antrag auf Pflegebedürftigkeit von der Pflegekasse bearbeitet worden ist, nimmt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder von MEDICPROOF mit einem Antragssteller Kontakt auf, um einen Termin zur persönlichen Begutachtung zu vereinbaren. Meistens erfolgt das schriftlich. Der Antragsteller wird über das Datum, den Zeitpunkt und den Namen eines Gutachtens informiert.
Die Pflegebedürftigkeit wird normalerweise in der Häuslichkeit festgestellt. Im Ausnahmefall, wenn sich der Betroffene im Pflegeheim, in der Reha oder im Krankenhaus befindet und nicht mehr nach Hause zurückkehren kann, wird die Begutachtung in der medizinischen Einrichtung durchgeführt.
Begutachtungstermin überstehen
Zum vereinbarten Zeitpunkt besucht der Gutachter den Antragsteller zu Hause, um die Situation einzuschätzen. Für die Begutachtung werden zwar maximal zwei Stunden eingeplant, doch tatsächlich verfügen Gutachter nicht über so viel Zeit und müssen oft wegen vieler zu begutachtender Personen unter Zeitdruck arbeiten. Da der Besuch des Sachverständigen entscheidend ist, ob der Pflegebedürftige ihm zustehende Leistungen in vollem Maße bekommt, ist es ratsam, sich auf den Termin gründlich vorzubereiten, damit alles reibungslos verläuft und der Gutachter sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne ein möglichst volles und objektives Bild über Ihren Zustand bzw. den Ihres Angehörigen bekommt.
Besuch: Wie geht der Gutachter vor?
Das Gespräch mit dem Pflegebedürftigen nimmt bei der Begutachtung eine zentrale Rolle ein. Um einzuschätzen, ob sich der Antragsteller noch selbst versorgen kann, stellt der Gutachter Fragen, die Aufschluss über die beeinträchtigte Selbständigkeit im Alltag geben sollen. Z. B. Wie gelingt es, eine Morgenroutine zu erledigen, ein- und auszuziehen, zu essen, Besorgungen zu machen u.a. Welche Aufgaben hat der Pflegebedürftige bisher selbst erledigt und jetzt ohne Hilfe einer Pflegeperson nicht meistern kann. Zusätzlich kann der Gutachter darum bitten, bestimmte Handlungen auszuführen, z. B. aufzustehen oder die Hand zu heben.
Beim Verfahren der Begutachtung werden auch die Räumlichkeiten besichtigt. Damit der Gutachter die Pflegesituation richtig bewerten kann, sollten Sie kurz vor dem Termin bzw. am Termintag nichts an der Umgebung ändern und alles zeigen so, wie es ist. Plötzlich umgestellte persönliche Gegenstände bzw. Möbelstücke können auf die räumliche Wahrnehmung des Betroffenen verwirrend wirken und die Richtigkeit der Antworten beeinflussen. Versuchen Sie also nicht, etwas zu verschönern oder pessimistischer zu präsentieren.
Die Gesundheitsunterlagen ermöglichen eine vollständigere Vorstellung von der Pflegesituation, so kann der Gutachter danach beim Besuch fragen. Es empfiehlt sich, alle Dokumente, die eine Auskunft über den Gesundheitszustand des Betroffenen geben, vorab aufzubereiten und beim Termin zur Hand zu haben, z.B. Röntgenbilder, Arztbriefe, Ausweise oder sonstige Dokumente von medizinischen bzw. pflegerischen Einrichtungen.
Wer sollte bei der Begutachtung dabei sein? Mangelnde Verständigung zwischen dem Gutachter und dem Betroffenen führt oft zu Fehlurteilen. Deshalb wäre es richtig, dass ein Familienmitglied oder Betreuer beim Begutachtungstermin dabei ist, um eine pflegebedürftige Person, die etwas vergessen oder falsch verstanden hat, zu unterstützen und bei Bedarf die Antworten mit zusätzlichen relevanten Informationen zu ergänzen.
Vorbereitung auf den Termin: Pflegetagebuch führen
Das Pflegetagebuch ist ein Dokument, das ursprünglich zur Analyse der aufgewendeten Pflegezeit gedacht wurde, dient derzeit eher zur eigenen Einschätzung der Pflegesituation, indem durch tägliche Protokollierung der alltäglichen Abläufe die Lebensbereiche aufgedeckt werden, wo eine Person einer fremden Hilfe bedarf. Obwohl das Pflegetagebuch kein offizielles Dokument ist, das der Pflegebedürftige verpflichtend führen muss, kann es trotzdem von Bedeutung sein, wenn es darum geht, die Pflegesituation nachzuvollziehen.
Für den Fall, wenn einem Betroffenen ein niedrigerer Pflegegrad zugewiesen oder der Antrag auf Pflegeleistungen abgelehnt wurde, kann das Pflegetagebuch als Beleg, mit dem sich die Situation nachvollziehen lässt, beim Widerspruch genutzt werden. Ein weiterer Pluspunkt des Pflegetagebuchs liegt darin, dass die Pflegebedürftigen, die sich jeden Tag mit der Beurteilung eigenen Zustandes nach bestimmten Punkten auseinandersetzen, haben es leichter, die Fragen des Gutachters richtig zu beantworten und somit ihre Chancen auf die Pflegeunterstützung zu erhöhen.
Unter dem verlinkten Angebot steht ein Pflegetagebuch zum Download bereit. Es ist ein nützliches Instrument, um den Pflegebedarf und die Betreuung Ihres Angehörigen oder Patienten zu dokumentieren. Das Pflegetagebuch kann bei der Beantragung eines Pflegegrades oder einer Verlängerung von Leistungen der Pflegeversicherung hilfreich sein, da es als Nachweis für den Pflegebedarf dienen kann.
So ermittelt der Gutachter den Pflegegrad
Zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nutzt der Gutachter das einheitliche Punktesystem, das sich auf die Selbständigkeit im Alltag bezieht. Lebensbereiche werden in sechs Module eingeteilt, in denen Punkte vergeben werden. Jedes Modul bringt eine bestimmte Punktzahl und wird je nach Wichtigkeit beim Gesamtergebnis unterschiedlich gewichtet. So fließen die Punkte aus Selbstversorgung mit 40% in die Bewertung ein.
Modul | Gewichtung |
---|---|
1 – Mobilität | 10% |
2 und 3 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten | 15% Prozent (der höchste Punktezahl aus zwei Modulen wird bei der Berechnung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt) |
4 – Selbstversorgung | 40% |
5 – Selbständigkeit beim Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie deren Bewältigung | 20% |
6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte | 15% |
Für insgesamt 64 Fragen lassen sich höchstens 100 Punkte erreichen. Je mehr Punkte der Betroffene erhält, desto höher ist die Unselbständigkeit und somit der Unterstützungsbedarf, der als Pflegegrad ausgedrückt wird.
Pflegegrad | Punktzahl auf der Skala von 0 bis 100 |
---|---|
1 | 12,5 bis 27 |
2 | 27 bis 47,5 |
3 | 47,5 bis 70 |
4 | 70 bis 90 |
5 | 90 bis 100 |
Wie hoch die Hilfe aus der Pflegeversicherung ausfällt, kommt auf den bewilligten Pflegegrad und darauf an, wer sich mit der Pflege befasst - ein Pflegedienst, Pflegeheim, ein Familienmitglied oder eine andere Pflegeperson. Je nach Bedarf kann der Pflegebedürftige die folgenden Leistungen und deren Kombinationen beanspruchen.
So viel Pflegegeld kann eine Person pro Monat beanspruchen:
Punktzahl auf der Skala von 0 bis 100 | Pflegegrad | Pflegegeld pro Monat, Euro |
---|---|---|
12,5 bis 27 | 1 | 0 |
27 bis 47,5 | 2 | 316 |
47,5 bis 70 | 3 | 545 |
70 bis 90 | 4 | 728 |
90 bis 100 | 5 | 901 |
Die Pflegekasse muss innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags über die Vergabe des Pflegegrades entscheiden und schriftlich Bescheid geben. Wenn diese Frist abgelaufen ist, kann der pflegebedürftige Versicherte mit einer Entschädigung von 70 Euro pro Woche rechnen. Wird der Pflegegrad genehmigt, erhalten Sie ab dem Tag der Antragstellung Pflegeleistungen rückwirkend berechnet.
Was können Sie nun tun, wenn Ihr Antrag auf Pflege abgelehnt wurde oder der zu niedrige Pflegegrad anerkannt ist? Nachdem der Bescheid zugestellt wurde, haben Sie einen Monat Zeit, um Widerspruch bei der Pflegekasse einzulegen. Dabei müssen Sie begründen, warum es Ihrer Meinung nach um eine falsche Bewertung geht.